Glamour-Konzept inszeniert die Musik-Szene

In diesem Neubau in Berlin treffen Musik-Schaffende jeglicher Couleur und Vertreter und Vertreterinnen der Musikindustrie in akribisch geplanten und doch sehr sinnlichen Innenräumen aufeinander.

Mit Bezug des neuen Deutschland- und Europa-Hauptsitzes an der Bülowstraße in Berlin-Schöneberg präsentieren sich Sony Music Entertainment und Sony Music Publishing seit 2021 in einem Umfeld, das maßgeblich die dortige Musikszene der 1970- und 80er-Jahre bestimmte. Die ehemalige Wohnung von David Bowie und Iggy Pop beispielsweise liegt ebenso nur einen Steinwurf entfernt wie der legendäre Meistersaal, der diesen beiden Musik-Ikonen und später auch Depeche Mode, Nick Cave und U2 als Tonstudio diente.

Stadtreparatur im Musik-Szene-Viertel

Zugleich beseitigt der 8 000 m² Bodenfläche umfassende Neubau an der Ecke zur Steinmetzstraße eine städtebauliche Wunde: Die Architekten und Architektinnen des Büros Gewers Pudewill entwarfen ein siebengeschossiges Gebäude, das die bis vor kurzem nur teilweise bebaute Nachkriegslücke schließt und nun einen überzeugenden städtebaulichen Akzent setzt. Charakteristisch sind neben den abgetreppten Übergängen des Baukörpers zu den Nachbarbauten insbesondere die in den Obergeschossen an allen Ecken abgerundeten Fassaden. Sie verleihen dem außen ganz in Weiß gehaltenen Gebäude eine selbstbewusste, unaufgeregte Dynamik, die sich in den von Studio Karhard, auch bekannt durch die Gestaltung des Berliner Clubs Berghain, gestalteten Innenräumen fortsetzt und verstärkt.

Die Bezüge sowohl zur geschwungenen Fassade als auch zu einem Ort, der schon zu Zeiten der Schlaghosen und knalligen Farben in voller Blüte stand, sind bereits vom Gehweg aus sichtbar. So sind durch die bodentiefen Fenster runde, von transluzentem Profilglas und wallenden Vorhängen umgebene Besprechungsinseln zu sehen, in denen runde Deckenleuchten und Tische sowie hell- bzw. dunkelorange Stühle den Ton angeben. „Sony ist ein Entertainment-Konzern und kein kühles Tech-Unternehmen. Allein deshalb finden sich hier sehr viele spielerische, farbige Elemente“, sagt Thomas Karsten, Architekt und Mitgründer des Studios Karhard, das er zusammen mit seiner Frau Alexandra Erhard betreibt.

Kreativ-verspielte Lässigkeit

Die beiden zeichneten unter anderem für den Umbau eines ehemaligen Heizkraftwerks zum Technotempel Berghain verantwortlich und stellten von Anfang an Verbindungen zur Musik- und Designgeschichte des Viertels her: „Stilistisch sind die Räume gekennzeichnet vom ‚Glamour-Punk‘ der 1980er-Jahre mit viel Stahl, Glas und Glitzer.“ Und tatsächlich: Ganz gleich, ob man sich in den Büros bewegt, in den Konferenzbereichen, im Tonstudio oder in den hochmodernen Musik- und Funktionsräumen, überall herrscht eine Aura der kreativen, glamourösen Lässigkeit.

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  • Im Erdgeschoss geben runde Besprechungsinseln runde Deckenleuchten und Tische sowie orangefarbene Stühle den Ton an.

    Im Erdgeschoss geben runde Besprechungsinseln runde Deckenleuchten und Tische sowie orangefarbene Stühle den Ton an.

  • Das Herzstück der sogenannten Circle Studios im Erdgeschoss bildet der schwarze Regieraum.

    Das Herzstück der sogenannten Circle Studios im Erdgeschoss bildet der schwarze Regieraum.

  • Der markant gemusterte runde Teppich im weißen Aufnahmeraum weckt Erinnerungen an die 1970er-Jahre.

    Der markant gemusterte runde Teppich im weißen Aufnahmeraum weckt Erinnerungen an die 1970er-Jahre.

  • Der „White Room“  ist ein repräsentativer Bereich für kleine Events. Den Mittelpunkt bildet ein vier Meter langer Bartresen aus Edelstahl.

    Der „White Room“ ist ein repräsentativer Bereich für kleine Events. Den Mittelpunkt bildet ein vier Meter langer Bartresen aus Edelstahl.

  • Beim Blick von der Dachterrasse in den „White Room“ wird deutlich, wie gut sämtliche raumbildenden Elemente harmonieren.

    Beim Blick von der Dachterrasse in den „White Room“ wird deutlich, wie gut sämtliche raumbildenden Elemente harmonieren.

Durch Umbau, Abbruch, Sanierung und Neubau ist ein lebendiges, seine Vergangenheit nicht leugnendes neues Stadtquartier entstanden.

Gewers Pudewill Architekten

Eine besondere Atmosphäre strahlen nicht zuletzt die Sanitärbereiche aus, die ebenfalls ganz im Zeichen des Kreises stehen. Prägend sind hier neben runden Waschbecken, Spiegeln und Kleiderhaken insbesondere die Wände mit Mosaikfliesen. Sie erscheinen je nach Bauteil in den Farbtönen Elfenbein oder Anthrazit, kombiniert mit hell- oder dunkelgrauen Fugen sowie weißen oder anthrazitfarbenen Sanitärobjekten. Einen besonderen Farbakzent setzt das zitronengelbe Rundmosaik in den Toiletten im Erdgeschoss, wo es im Bereich des oft von Musikkünstlern frequentierten Tonstudios im scharfen Kontrast zum schwarzen Regie- und weißen Aufnahmeraum steht.

„Die Wahl auf Mosaikfliesen fiel einerseits wegen des Bezugs zu den 1970er-Jahren, in denen diese Art der Keramik sehr populär war,“ sagt Karsten. „Andererseits wären größere Fliesenformate angesichts der vielen gerundeten Wände und der zweifach gekrümmten Ränder der zahlreichen Pflanztröge absolut ungeeignet gewesen.“ Bestückt mit großen Zimmerpflanzen gliedern Letztere die Bürobereiche und wecken dabei Erinnerungen an die extravaganten Bühnenoutfits von David Bowie.

Extravagant zeigt sich auch der „White Room“ im 5. Obergeschoss. Hier entstand ein repräsentativer Bereich, der einen schallentkoppelten Musikraum zum exzessiven Musikhören, viel Platz für kleine Events mit geladenen Gästen sowie eine große Dachterrasse bietet. Das psychedelische Muster des Teppichbodens und die nicht ohne eine gewisse Poesie des (scheinbaren) Chaos inszenierten offenen Installationen an der Decke ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Im Mittelpunkt steht dennoch zweifellos ein vier Meter langer Bar-Tresen aus Edelstahl. Dieses Objekt mit integriertem Edelstahl-Waschbecken ruht auf zwei runden Pfeilern, die ebenfalls mit keramischem Rundmosaik bekleidet sind. Die skulpturale Kraft dieses maßgefertigten Bauteils beruht auf spannungsvoller Asymmetrie: Einer der beiden Pfeiler scheint den Tresen nach oben zu durchbohren, um einen weiteren, diesmal hoch liegenden Pflanztrog auszubilden.Wesentlich sind aber auch die Materialien: Edelstahl und Keramik sind zwar in großen Küchen und Toilettenanlagen nicht zuletzt aus hygienischen Gründen häufig zusammen zu erleben. Hier im „White Room“ wirken sie jedoch weniger funktional, sondern erfrischend unkonventionell. Letztlich erscheinen die keramikbekleideten Pflanztröge und der Tresen als Kunstwerke, die die Mitarbeitenden und Gäste unwillkürlich in die Zeit der 1970- und 1980er-Jahre versetzen. Zugleich zeigen sie beispielhaft, mit welcher Akribie und Sinnlichkeit das Architekturbüro dieses Projekt geplant hat: Es spielt keine Rolle, wo im Haus man sich befindet: zufällig einfach so „passierte“ Lösungen, die nicht der Idee des Glamour-Punk-Konzepts entsprechen, sucht man vergeblich.

Auch die Sanitärbereiche stehen ganz im Zeichen des Kreises. Prägend sind hier neben runden Waschbecken, Spiegeln und Kleiderhaken insbesondere die Wände mit kleinen runden Mosaikfliesen.


Sony Music Entertainment ist ein US-amerikanisches Unternehmen mit Sitz in New York City. Es wurde 1887 als Columbia Records gegründet und ist als Tochtergesellschaft der Sony Corporation of America im Besitz der japanischen Sony Corporation sowie Schwestergesellschaft von Sony Music Entertainment Japan: https://www.sonymusic.de/. Sony Music Publishing ist ein US-amerikanischer Musikverlag und heute das größte Musikverlagsunternehmen der Welt mit etwa 4 Millionen Songs: https://www.sonymusicpub.com/. Für beide entwarfen und bauten die Architekten von Gewers Pudewill (https://www.gewers-pudewill.de/) den neuen Deutschland- und Europa-Hauptsitz. Die Innenarchitektur realisierte das Studio Karhard (https://www.karhard.de/). Das in vielen Bereichen präsente keramische Rundmosaik der Serie "Loop" lieferte Agrob Buchtal GmbH: https://agrob-buchtal.de/de/architekt-planer/serie/loop
Fotos: Agrob Buchtal Gmbh / Stefan Lucks

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