Spanische Fliesenhersteller auf Höhenflug
4.7.2022
Weder die Pandemie, noch der Ausfall der für spanische Fliesenhersteller wichtigen traditionellen spanische Fliesenmesse Cevisama und auch die bereits 2021 deutlich spürbaren Versorgungsengpässe und Preissteigerungen schienen den Erfolg spanischer Fliesenhersteller nicht bremsen zu können. Das zumindest signalisieren die Zahlen der spanischen Produzenten keramischer Fliesen, die der Präsident des Branchenverbandes ASCER, Vicente Nomdedeu Lluesma, Mitte Juni auf einer internationalen Pressekonferenz im spanischen Valencia verkündete. Sie sollte die üblicherweise im Rahmen der Fliesenmesse Cevisama für die internationalen Pressevertreter zelebrierte Jahresbilanz ersetzten. Diese Messeveranstaltung, nach der italienischen Cersaie in Bologna zweitwichtigste Branchenmesse, fiel sowohl zum Stammtermin im Februar 2022 wie auch zum ursprünglichen Ersatztermin im Juli 2022 Pandemie bedingt aus und soll jetzt im Frühjahr 2023 (27. 2. bis 3. 3. 2023) stattfinden.
Doch die Öffentlichkeit sollte nicht bis dahin auf die frohe Botschaft warten müssen, die der Verbandschef den speziell dafür nach Valencia eingeladenen internationalen Pressevertretern verkünden wollte. Vielleicht trieb die Verantwortlichen auch die Sorge um, dass angesichts der 2022 eingetretenen internationalen wirtschaftlichen Verwerfungen den Glanz der 2021er Zahlen etwas verblassen könnte. Denn selbst Insider glauben kaum, dass sich unter den aktuellen globalen Bedingungen der wirtschaftliche Höhenflug der spanischen Keramiker wiederholen lässt. Und der war in der Tat sehr beachtlich. So hätten die 137 im spanischen Branchenverband organisierten Hersteller im Jahr 2021 einen Gesamtumsatz von 4,85 Mrd. Euro erwirtschaftet, 26,4 Prozent mehr als im Jahr 2020.
Daran war der Export, traditionell ein wichtiges Standbein der spanischen Keramiker, nicht unerheblich beteiligt. Ihn bezifferte Lluesma auf 3,6 Mrd. Euro, entsprechend einem Plus von 24,6 Prozent. Diese Zahl wird verständlich, wenn man weiß, dass die spanischen Werke weltweit in ca. 180 Länder, schwerpunktmäßig in Europa (47,3 Prozent), ihre Fliesen exportieren.
Selbst der seit geraumer Zeit stark schwächelnde Inlandabsatz bereitete den Verbandsfunktionären endlich wieder mehr Freude.
Hier konnte der Umsatz immerhin um 32 Prozent auf knapp 1,12 Mrd. Euro gesteigert werden. Dennoch bleibt er weiterhin deutlich hinter dem Exportvolumen zurück.
Spitzenreiter im spanischen Export-Ranking bleiben mit deutlichem Abstand die Vereinigten Staaten von Amerika, wo man 2021 noch einmal drauf satteln konnte, gefolgt von Frankreich. Die stolze ASCER-Bilanz der 10 wichtigsten Exportnationen weist durchweg positive Zahlen auf, lediglich Saudi-Arabien fällt deutlich aus dem Rahmen. Dass spanische Fliesen in Deutschland trotz leichter Zugewinne weiterhin keine Spitzenposition einnehmen, liegt an der Dominanz der italienischen Fliesen-Hersteller, die hierzulande nach wie vor den Markt dominieren. Aber vielleicht ändert sich das ja, nachdem anlässlich der erwähnten Promotion-Reise inkl. Pressekonferenz auch einige deutsche Architekten eingeladen waren.
Ob der spanische Fliesen-Höhenflug weitergeht, sieht auch der Verbandschef eher kritisch. Abgesehen von den Ukraine bedingten Problemen bei der Rohstoff-Beschaffung (spanische Werke beziehen einen großen Teil ihrer Tone aus der Ukraine), dürften wie überall die gestiegenen Gas- und Strompreise für kräftige Dämpfer sorgen. Zwar soll es bereits 2021 erste Preiserhöhungen gegeben haben, ob diese nach der aktuellen Kosten-Explosion aber auch jetzt noch durchgesetzt werden können, ist zumindest fraglich. Immerhin ist der Markt der keramischen Fliesen ein Verdrängungsmarkt, der den Spielraum für Preiserhöhungen Wettbewerbs bedingt stark einschränkt. Schon in der Vergangenheit war Preis-Dumping ein vor Fliesenindustrie gern genutztes Marketing-Instrument.
So ist wohl auch das Versprechen von Vicente Nomdedeu Lluesma im Rahmen der Pressekonferenz zu verstehen, dass die spanischen Hersteller versuchen werden, so wenig Kosten wie möglich an ihre Kunden weiterzugeben. Fatalerweise bleibt auch die Möglichkeit, steigende Kosten durch Rationalisierungen aufzufangen, begrenzt, nachdem die meisten Hersteller inzwischen mit hoch effizienten Anlagen ausgerüstet sind, bei denen kaum noch Spielraum für Rationalisierungsmaßnahmen bleibt.
Und daran, dass sich an der angespannten prekären Situation sich kurzfristig etwas ändert, glaubt auch Vicente Nomdedeu Lluesma nicht: "Mit einer Normalisierung der Situation ist in den nächsten zwei bis drei Jahren kaum zu rechnen“. Deshalb war es in der Tat ein geschickter taktischer Schachzug, jetzt die gute Bilanz nach außen zu tragen. Gleichwohl: Der Verbandchef ließ sich die Freude daran bei seinem fast emotionslos vorgetragenen Referat nicht anmerken. (Alle Zahlen: Quelle ASCER)